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Zwischen Kanal und Kirche

  • Vom Pastorat ist die Kanalfähre für Johanna Zedlitz gut zu sehen.
  • Johanna Zedlitz in der St. Peter und Paul Kirche Sehestedt.
  • Der neue Arbeitsplatz von Johanna Zedlitz: Die St. Peter und Paul Kirche am Kanal.

Sehestedt - Wenn Johanna Zedlitz morgens die Jalousien hochzieht, blickt sie zuerst aufs Wasser. Das Pastorat ihrer Kirchengemeinde Sehestedt liegt direkt am Nord-Ostsee-Kanal, und oft brummt die Fähre „Pillau“ dann hinüber nach Sehestedt-Süd. So wie gerade an diesem sonnigen Herbstmorgen. Bewegung, die dabei viel Ruhe ausstrahlt: Das passt zu Johanna Zedlitz. Denn die Pastorin wirkt selber, als bewege sie sich stetig mit einer inneren Ruhe vorwärts. Seit Anfang Oktober verwaltet sie offiziell die Pfarrstelle in Sehestedt, nach dem Abschied ihres Vorgängers war sie aber bereits vor Ort – offiziell zur Vertretung. 

„Ein Wechsel im Pastorat bedeutet ja auch immer Abschied und Trauer, und Pastor Jens-Olaf Grotjahn war mehr als zehn Jahre vor Ort“, sagt die 33-Jährige und schaut von ihrer Terrasse hinüber zum Fähranlieger am Südufer. „Aber die Menschen hier haben mir den Start wirklich leicht gemacht. Zum Beispiel habe ich nach Gewohnheiten gefragt, weil ich die gerne aufnehmen und höchstens behutsam verändern wollte. Da kam aber eher Ermutigung: ‚Na machen Sie mal, wie Sie denken.‘“ Man traut ihr den Brückenschlag zwischen Bewahren und Erneuern zu.

Die „Pillau“ kehrt zurück. Sie trägt vier Autos. Die morgendlichen Pendler haben längst übergesetzt – auch Pastorinnengatte Jesper Zedlitz, ein Informatiker, sitzt jetzt bereits im Ministerium drüben in Kiel. Aber Fähre hin oder her, der Kanal trennt Gemeinde und Kirchengemeinde. Wie schafft Johanna Zedlitz dennoch eine Verbindung zum Südufer? „Unsere Küsterin, Frau Kähler, kommt aus Sehestedt-Süd und zwei Kirchengemeinderäte ebenfalls. Darüber bekomme ich einiges mit. Und durch unsere Töchter haben wir schon viele andere Eltern kennengelernt – natürlich auch von ‚drüben‘.“ Zedlitz lacht.

Und auch nach Holtsee und Haby, die ebenfalls zur Kirchengemeinde gehören, ist es ein gutes Stück Weges, wenn auch über Land. Johanna Zedlitz ist gebürtige Lübeckerin, studiert hat sie in Kiel. Aber ihr, dem Stadtkind, gefällt es als „Pastorin im Probedienst“ auf dem Land. „Ich habe ja mein Vikariat in Angeln verbracht und danach noch anderthalb Jahre im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde andere Pastoren vertreten. Ich kenne die Arbeit in ländlichen Gemeinden also schon – und ich mag das Gemeinschaftliche im Dorf sehr!“ Drei Taufen und drei Beerdigungen hat Zedlitz bislang in Sehestedt begleitet, dazu die Verabschiedung ihres Vorgängers. „Es berührt mich sehr, wie voll die Kirche dann ist. Man steht sich bei, man feiert zusammen, man fühlt sich einer Gemeinde zugehörig, man weiß: Dies ist mein Pastor. Das ist in Stadtgemeinden häufig anders.“

Die Schranke sinkt, die Fähre setzt erneut über.

Tochter Janne, 6, hat heute schulfrei, malt im Fledermauskostüm und lauscht dazu einem Hörbuch. Johanna Zedlitz schließt die Tür des reetgedeckten Pfarrhauses und überquert den Friedhof. Juliane, ihre Vierjährige, spielt drüben im Evangelischen Kindergarten. Kichern und Lachen schallen über Hecke und Friedhof. Zedlitz lächelt. „Schön, oder? Hier ist alles am selben Fleck – da spürt man, wie Tod und Leben zusammen gehören.“ Einmal wöchentlich ist sie auch bei den Kleinen. „Die Arbeit mit Kindern fand ich schon immer toll“, sagt Zedlitz. „Wir singen unser Begrüßungslied, ich entzünde eine Kerze, öffne meine Schatzkiste und erzähle eine Bibel-Geschichte. Die Kinder mögen das, auch die Kleinsten.“

Die Pastorin zeigt den Fähranleger, auch das einer ihrer neuen Lieblingsorte. Am Ufer parken eine Handvoll Wohnmobile. Die Wand eines XL-Containerschiffs verschattet den Besitzern ihren goldenen Oktober, aber genau das wollen sie ja: Pötte gucken. „Als wir zum ersten Mal in Sehestedt waren, um uns hier umzuschauen“, sagt Zedlitz, „gefiel uns das gleich: die Schiffe, alles voller Leute, friedliche Stimmung. Eine solche Attraktion wie der Kanal bedeutet ja auch, dass das Dorf sich öffnet. Oft steigen Urlauber die Treppe hinauf und besuchen unsere Kirche – manche sogar, wenn sie sonntags die Glocken läuten hören.“ Und wenn ein großer Schiffsdiesel vorbeidröhnt, klirren schon mal die Scheiben in Kirche und Pastorat. Aber daran hat sich die Familie Zedlitz längst gewöhnt. „Und gegen die Schiffsbeleuchtung haben wir ja unsere Jalousien.“

Der Kanal ist wieder frei, die „Pillau“ kann queren.

Sehestedts Kirche wurde schon im 14. Jahrhundert erwähnt. Ganz offensichtlich wuchs die Gemeinde aber zu Gutsherrenzeiten: Der romanische Feldsteinbau wurde 1829 verlängert, die Jahreszahl prangt an der backsteinernen Ostwand. In diesem Teil liegt der Altarraum, von hier erteilt Zedlitz ihren Segen. Es wird ihr erster Reformationstag hier sein, ihr erster Totensonntag, die ersten Adventsgottesdienste.

Drei Jahre lang ist Johanna Zedlitz insgesamt „Pastorin auf Probe“, danach wird sie zur Pastorin auf Lebenszeit ernannt. Sie verwaltet eine halbe Pfarrstelle. Das bedeutet, dass sie nicht alle Gottesdienste wird leisten können, sondern sich auch mal vertreten lässt. „Darüber denken wir gerade nach“, sagt Zedlitz. „Vielleicht sind gemeinschaftliche Gottesdienste wie in Taizé eine Möglichkeit. Aber natürlich bin ich bei allen Taufen, Trauungen und Beerdigungen immer für die Gemeinde da.“ Außerdem spielt sie im Flötenchor, ihr Mann im Posaunenchor. Sie ist schon gut angekommen in Sehestedt. Beruf, Berufung, Privatzeit: Dazwischen wird Johanna Zedlitz pendeln. Wie eine Fähre.