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Ist das gerecht? Bundestagsandidat*innen beim Demokratiekolleg in Rendsburg

  • Alle Kandidat*innen in der Christkirche
    Den Fragen stellten sich (vlnr): Gereon Bollmann (AfD), Jakob Blasel (Grüne), Maylis Roßberg (SSW), Sönke Rix (SPD) und Hauke Schultz (Linke). Abgesagt hatten aus terminlichen Gründen Johann Wadephul (CDU) sowie Christine Aschenberg-Dugnus (FDP).
  • Propst Matthias Krüger in der Christkirche
    Propst Matthias Krüger begrüßte das Publikum und die Kandidat*innen in der Rendsburger Christkirche.

Rendsburg - Im September sind rund 60,4 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, den Bundestag zu wählen. Im Vorfeld hatte der Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde am Donnerstag, 19. August, gemeinsam mit dem Christian-Jensen-Kolleg und der Evangelischen Akademie die Kandidatinnen und Kandidaten für den Wahlkreis 4 zu einem Demokratiekolleg in die Rendsburger Christkirche eingeladen. Im Fokus standen dabei die Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit sowie globale Gerechtigkeit.

„Wir hatten für die Ausarbeitung der Themen des Demokratiekollegs eine Frage vorangestellt: Ist das gerecht?“, berichtete Propst Matthias Krüger. Dabei gehe es allerdings um die positive Form dieser Frage. „Gerecht und Gerechtigkeit lassen sich meiner Meinung nach nicht steigern. Wenn sie nicht vorhanden ist, dann ist es ungerecht.“  Die Fragen drehten sich während des Kollegs um Klimawandel, Kinderarmut und soziale Gerechtigkeit. „Wir wollen wissen, was Sie als Bundestagsdirektkandidaten sagen und was Ihre Parteien dazu sagen.“ Später werde die Diskussionsrunde aber auch für Fragen aus dem Publikum geöffnet.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Nora Steen (Christian-Jensen-Kolleg) und Joachim Kretschmar (Evangelische Akademie). Für die Parteien waren die Bundestagskandidaten Sönke Rix (SPD), Jacob Blasel (Bündnis 90/Die Grünen), Hauke Schultz (Die Linke), Gereon Bollmann (AfD) sowie Maylis Roßberg (SSW) der Einladung gefolgt, Sabine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Johann Wadephul (CDU) mussten leider absagen. Gut 60 Menschen aus dem Raum Rendsburg waren in die Christkirche gekommen, um sich die Kandidatinnen und Kandidaten anzuhören.

Im Vorfeld waren den Kandidat*innen drei Fragen zugesandt worden. Moderatorin Nora Steen erläuterte den Kandidat*innen und dem Publikum noch einmal die Regeln. „Im Wahlkampf geht es nicht immer um Themen, darum sind wir heute hier. Das Publikum hat heute die Gelegenheit mit seinen Direktkandidaten ins Gespräch zu kommen“, so Steen. Damit es gerecht zugehe, sei die Antwortzeit auf drei Minuten begrenzt und die Reihenfolge wurde ausgelost. „Drei Minuten, das reicht nicht, um das Thema groß zu umreißen. Aber das reicht, um ein Konzept kurz vorzustellen“, ergänzte Joachim Kretschmar.

Bundestagsabgeordneter Sönke Rix (SPD) durfte sich als erstes den Fragen stellen. „Klimaschutz müssen wir uns auch leisten können. Es reicht nicht eine einfache Erhöhung von CO2-Preisen, es muss auch einen Sozialausgleich geben.“ Der Ausbau von Erneuerbaren Energien könne nur gelingen, wenn die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden. „Dies schaffen wir nur durch Bürgerbeteiligung, durch beispielsweise Bürgerwindparks.“ Weiterhin müsse das Verursacher-Prinzip gelten. Das bedeute, dass nicht nur Verbraucher, sondern auch die Erzeuger einen Teil der Kosten tragen müssten. „Wir wollen eine Kindergrundsicherung einführen. Kinderrechte gehören ins Grundgesetz“, sagt Rix. „In der vergangenen Legislaturperiode ist es uns leider nicht gelungen, dies durchzusetzen.“ Das Ziel verfolge die SPD allerdings weiter. Für faire Bedingungen im Handel habe man das Lieferkettengesetz eingeführt. Es nehme die Unternehmen in die Pflicht für faire Bedingungen zu sorgen.

Jakob Blasel (Die Grünen) betonte, dass die jüngste Generation am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird: “Klimaschutz ist eine Frage von globaler Gerechtigkeit. Wir müssen jetzt handeln. Daher fordern wir einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie der Windkraft.“ Weiterhin müsse der Kohlekraftausstieg bis 2030 abgeschlossen sein. Ein nationaler Klimaplan solle beispielsweise bei der Einhaltung des 1,5 Grad-Zieles helfen. Der Öffentliche Nahverkehr müsse besonders auf dem Land besser ausgebaut werden. Kinderarmut betreffe häufig die Kinder von Hartz IV-Empfängern. Deshalb dürften die Hartz IV-Sätze nicht so niedrig sein. Um globale Gerechtigkeit zu erreichen, gehe das momentane Lieferketten-Gesetz aber nicht weit genug. Große Unternehmen und Konzern, die in Deutschland etwas verkauften, müssten zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Materialien verwendeten, die aus entsprechenden Quellen bezogen werden. Es müsse sichergestellt werden, dass die komplette Lieferkette fair sei.

„Wir wollen bis 2035 klimaneutral sein“, sagt Hauke Schultz von der Linken. „Wir fordern einen staatlichen Ausbau von regenerativen Energien.“ Außerdem müsse der ÖPNV nicht nur kostenfrei, sondern auch weiter ausgebaut werden. Es bringe nichts, wenn auf den Dörfern kaum Busse fahren oder man ewig warten müsse, um umzusteigen. „Wir brauchen ein Lieferkettengesetz, dass jeden Subunternehmer bis ins letzte Glied erfasst“, stimmte Schultz der Kritik von Blasel zu. „Für Kinder fordern wir bundesweit kostenlose Mahlzeiten in Kitas und Schulen. Es kann nicht sein, dass die Ausgrenzung bereits am Essenstisch beginnt“, erläutert der Linken-Politiker.

Mit Maylis Roßberg will der SSW zum ersten Mal in den Bundestag einziehen. „Regionales Handeln ist genauso wichtig, wie globale Probleme“, so die Politikerin. Der Küstenschutz müsse in Schleswig-Holstein ausgebaut werden, sodass Teile des Landes nicht irgendwann überschwemmt werden. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse mal in Berlin auf den Tisch gehauen werden. Dort werde der Ausbau gebremst, dabei habe Schleswig-Holstein in diesem Bereich enormes Potenzial. Der SSW strebt es an, die erste „faire Partei“ zu werden. So müsse regionaler Handel und die Vermarktung regionaler Produkte ausgeweitet werden. Die „Feinheimisch“-Initiative sei dafür ein gutes Beispiel. „In der Bildung muss Chancengleichheit herrschen“, sagt Roßberg. Eine gute Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Förderungen müssten daher auch unbürokratisch sein.

In vielen Punkten unterschied sich die Sichtweise des AfD-Redners von denen der Vorredner*innen. „Wir sind einer Politik verpflichtet, die als erstes uns zugutekommt“, erläuterte Gereon Bollmann. Es gelte, erst die eigenen Probleme zu lösen, dann internationale. Dass der Mensch den Klimawandel verursacht, wird von der AfD abgelehnt. „Es hat schon immer Kälte- und Wärmeperioden gegeben“, meint Bollmann. Lediglich 1,2 Prozent der weltweiten Emissionen könnten eingespart werden, wenn komplett auf die vom Menschen verursachten Emissionen verzichtet werde. Um Deutschland gerechter zu gestalten, müssten EU-Bestimmungen gekürzt werden. Daher strebe die AfD den Austritt aus der Europäischen Union an. In der Familienpolitik werde die Drei-Kind-Familie als Staatsziel angestrebt. „Deutschland wird auch bei massiver Zuwanderung Bevölkerung verlieren“, sagt der AfD-Politiker. Kindergrundrechte könnten aber dazu führen, dass Kinder von ihren Eltern entfremdet werden und würden daher abgelehnt.

Im Anschluss hatten die Zuschauer noch die Möglichkeit, genauer auf Fragen und Kandidaten einzugehen. Am Ende des Abends bedankte sich Propst Krüger bei den Kandidat*innen für die Teilnahme und lud gleichzeitig zu einer Fortsetzung des Abends in zwei Jahren ein – egal ob gewählt oder nicht.